Für die Jugendlichen ist dieses öffentliche Leben mit Herausforderungen und Anstrengung verbunden. Entsprechend haben sie ein Bedürfnis nach Rückzug und Privatheit:
„Es ist wichtig, sich zurückziehen zu können und sich von dem zu entfernen, was einen verletzen könnte und einfach mal mit sich selbst zu einem Punkt zu kommen (…). Rückzug ist etwas, wofür man kämpfen muss, weil die Gesellschaft will immer alles erklärt haben (…), deswegen muss man Grenzen setzen können“ – Zenia, 16, SMV.
Grenzen digital setzen zu können, wird zu einem wichtigen Aspekt von Medienkompetenz. Gerade, wenn die digitale Welt als schnelllebig und mit hohem Erwartungsdruck erlebt wird. Grenzen zu setzen, heißt auch, zu entscheiden, welche persönlichen Daten und Informationen privat sind und welche veröffentlicht werden können. Hierbei gibt es viele „Zwischenräume“ und Gleichzeitigkeiten. So finden sich auch online Rückzugsräume, die zugleich als gefährlich erlebt werden können:
„Wenn man über das Internet redet zum Beispiel, wenn man ein Zuhause hat, wo man sich nicht wohlfühlt und sich nicht zurückziehen kann, dann ist bei ganz, ganz vielen Menschen das Internet der Rückzugsort. Das meistens auch schon, seit sie sehr, sehr klein sind. Ich finde das einerseits schön, denn es gibt Möglichkeiten und es gibt einen Ort, an dem man sich selbst sein kann. Andererseits ist es einfach ein sehr, sehr großer und gefährlicher Ort, an dem man möglicherweise Themen oder Medien ausgesetzt wird, für die man zu jung ist. Was Informationen angeht, bringt es viele Gefahren mit sich“ – Mara, 19, SMV.
Es verwundert nicht, dass sich viele Jugendliche einen Rückzugsort fernab der medialen Welt wünschen. Sie wünschen sich ein „Funkloch“ (Zenia, 16, SMV), in dem sie unerreichbar und sein und entspannen können. Andere Jugendliche würden gerne das Handy öfter weglegen und mehr Zeit mit Freund*innen verbringen.
„Einfach das Internet löschen oder in die Berge gehen, wo es kein Internet gibt“ – Jona, 17, SMV.
„Außerdem möchte er das Handy öfter weglegen und mehr Zeit mit den Freunden verbringen“ – Alva, 15 über Marco, 16, GK.
Der soziale Druck, in den sozialen Medien präsent zu sein, ist bei den Jugendlichen, die sich auch mit der Suche nach engen und verlässlichen Gemeinschaften schwertun, umso größer. Zwischen Filtern, Bildbearbeitung und einer guten Bildauswahl bleibt mitunter auch etwas von der echten Person verborgen. Obwohl die Jugendlichen den Wunsch nach Rückzug von digitalen Medien spüren, sind sie zugleich auf diese angewiesen – als Rückzugs- und zugleich Teilhabeort. Eine Ambivalenz, die umso schwerer überwindbar ist, je weniger (sichere) soziale Gemeinschaften sowie Räume, in denen sie authentisch sein können und gesehen werden, im Leben der Jugendlichen vorhanden sind. Es zeigt sich ein Wunsch nach sicheren Räumen, in denen sie sich ohne Gefahr authentisch geben können.