Aufwachsen im Digitalen

Wie digitale Medien zur Teilhabe von Jugendlichen beitragen (können)

 

Die nachfolgenden Ergebnisse stammen aus vier Forschungswerkstätten, die im Herbst 2023 mit insgesamt 40 Jugendlichen zwischen 13 und 19 Jahren durchgeführt wurden:

  • Gruppe 1 (SMV): Jugendliche aus München, die sich in der Schülermitverantwortung engagieren
  • Gruppe 2 (FJ): Feuerwehrjugend in einem oberbayerischen Dorf
  • Gruppe 3 (FA): Film-AG in Schwaben
  • Gruppe 4 (GK): 11. Klasse eines ländlichen Gymnasiums in Mittelfranken

Ergänzend sind in diesen Text Aussagen von Jugendlichen aus vier 10. Klassen eines Münchner Gymnasiums eingeflossen, die im Rahmen eines Filmprojektes ebenfalls mit uns über ihre Werte, Themen, Meinungsbildung und Teilhabemöglichkeiten gesprochen haben.

Aufwachsen in der Postdigitalität

Kinder und Jugendliche wachsen heute im Zeitalter der Postdigitalität auf. Ihre Lebenswelt lässt sich nicht mehr in virtuell – mit Medien – und ‚real‘ – ohne Medien – unterteilen. Digitale Medien sind so sehr in den Alltag eingeschrieben, dass sie selbstverständlicher Teil unseres Lebens sind und nicht mehr fortlaufend hinterfragt werden.

„In Wahrheit sind wir weder on- noch offline, sondern onlife: Wir leben zunehmend in diesem besonderen Raum, der sowohl analog als auch digital, sowohl online als auch offline ist“[1] (Hervorhebung durch Autor*innen).

Dieser Beitrag geht der Frage nach, wie Jugendliche das Aufwachsen in der Postdigitalität erleben, welche Haltung sie zu digitalen Medien haben, wie sie sich informieren und wie sie Teilhabe mit digitalen Medien gestalten.

Anschluss finden – Abstand fühlen

Eine wichtige Funktion digitaler Medien ist es, sich zu vernetzen und sich mit anderen Menschen verbinden zu können. Diese Möglichkeit beschreiben die Jugendlichen als ambivalent. Einerseits schätzen die Jugendlichen, dass sie sich digital austauschen und Gleichgesinnte finden können. So hat beispielsweise Helene (FA) online Menschen gefunden, die ihre (religiösen) Werte teilen und von denen sie sich verstanden fühlt: 

„Ich habe im Internet Leute gefunden, die [religiöse Werte] einfach weitergeben. Es hat mir sehr gut gefallen und da bin ich erst so richtig da hineingekommen. […] Da habe ich aber Leute gefunden, die mir wirklich weitergeholfen haben und wirklich toll darüber gesprochen haben“  – Helene, 13, FA.

Andererseits fehlt einigen Jugendlichen etwas in diesen Kontakten, für sie findet online kein echter Austausch statt, weil so keine zwischenmenschliche Beziehung hergestellt werde:

„Wenn man mit anderen Menschen chattet, dann ist das auch nicht echt. Dann ist das über einen Kasten. Das [Freundschaftliche] fehlt für mich“ – Laura, 13, FA.

Verbundenheit wird digital nur zu einem gewissen Grad empfunden. Bruno von der SMV nimmt außerdem eine generelle Distanz zwischen den Menschen wahr, die er auf digitale Medien zurückführt. Diese digitale Distanz beeinflusse wiederum die Moral der Menschen. In seinen Augen sinkt dadurch die Bereitschaft, sich gegenseitig zu helfen: 

Die Moral von vielen Menschen ist einfach in unserer digitalen Zeit sehr schlecht. (…) „Hey, wieso soll ich helfen? Das kann doch jemand anderes.“ (…) Man will helfen, aber man handelt nicht. (…) Dass da noch diese Distanz von dem digitalen Zeitalter kommt  – Bruno, 19, SMV.

Ich informiere mich – nebenbei

Neben Austausch sind digitale Medien für viele Jugendliche eine Informationsquelle. Während viele Eltern und ältere Fachkräfte ihre Informationen hauptsächlich aus dem Fernsehen sowie Online-Zeitungen, Nachrichtenmagazine und dem (Internet) Radio beziehen [2], finden Jugendliche oft nur über ihre Eltern und Bezugspersonen Zugang zu klassischen Nachrichtenmedien. Eltern bzw. Erziehende sind hier eine wichtige Sozialisationsinstanz. Sie können das Nachrichtenkonsumverhalten der Jugendlichen beeinflussen [2]. Liegt in der Familie beispielsweise jeden Morgen die neue Tageszeitung auf dem Tisch, so nehmen die Jugendlichen das Medium Zeitung als Nachrichtenquelle wahr und werfen beim Frühstück vielleicht auch mal einen Blick hinein – so wie Markus (14, FJ). Jeden Morgen, bevor er in die Schule geht, blättert er durch die örtliche Tagesszeitung und liest ein wenig.  Maxim (16, GK) würde gerne Zeitung lesen, „aber wir haben keine Zeitung zu Hause.“ Ein weiteres Beispiel sind Nachrichtensendungen: Sehen sich Eltern im Wohnzimmer die Tagesschau an, können die Jugendlichen mitsehen, ohne selbst aktiv zu werden.

„Mein Opa schaut [Nachrichten im Fernsehen] und dann schaue ich mit“ – Thies, 14, FJ. 

„Wenn ich pünktlich um 20 Uhr am Fernseher vorbeilaufe, dann sehe ich mir die Tagesschau an“ – Loris, 14, FA.

Die Jugendlichen bekommen so etwas vom (politischen) Geschehen mit. Das bietet auch die Gelegenheit, über das Gesehene zu sprechen oder zu diskutieren. So können sich politisches Interesse und politische Diskussionen innerhalb der Familie mit der Zeit verstärken [3].

Informieren sich Jugendliche selbständig, dann sind Online-Medien die erste Wahl – „das ist schneller, entspannter und bequemer“ (Andre, 17, GK). Besonders beliebt sind soziale Medien wie Tiktok oder Instagram. Die Jugendlichen folgen beispielweise Nachrichtenkanälen auf TikTok und bekommen auf diese Weise Nachrichten in ihren Feed gespült. Andere lesen auf der Startseite ihres Browsers die Headlines. Die Jugendlichen zeigen damit einerseits ein Interesse für Nachrichten, wenn sie Nachrichtenkanäle abonnieren. Andererseits ist das Interesse nicht groß genug, um aktiv Nachrichten zu konsumieren – es genügt ihnen, wenn sie Nachrichten nebenbei mitbekommen:

„[Politisches] begegnet mir, aber ich suche nicht gezielt danach. Ab und zu bekommt man davon etwas mit“ – Andre, 17, GK.

„Aktiv suche ich nicht danach. Ich sehe gelegentlich zufällig etwas. Hauptsächlich erhalte ich Themen in Bezug auf Fußball“ – Thilo, 16, GK.

Weckt mein Interesse!

Die Jugendlichen setzen sich dann vertiefter mit flüchtig gesehenen Beiträgen auseinander, wenn das Thema bei ihnen besonderes Interesse weckt. Eine wichtige Rolle spielt dabei ihr Netzwerk. Werden Nachrichtenbeiträge beispielweise von Menschen, denen sie folgen (egal ob Influencer*innen oder Freund*innen) repostet, kommen die Jugendliche eher mit der Thematik in Berührung. Das geschieht auch über das gegenseitige Zusenden von Beiträgen im Freund*innenkreis. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass ihr Interesse geweckt wird:

„Ich sehe manche Sachen auf Instagram, wenn man dort zum Beispiel durch Storys geht, die alle posten oder reposten. Wenn es mich interessiert, dann gehe ich auf den Post und lese es mir durch“ – Isabel, 15, FA.

Humor unterstützt dabei, dass bei den Jugendlichen Interesse geweckt wird [4]. Memes stehen bei den befragten Jugendlichen hoch im Kurs, denn Humor funktioniert auf emotionaler Ebene und kann eine Glücksreaktion auslösen. So seien Inhalte für Jugendliche besser zugänglich und zugleich merke man sich den Inhalt besser, meint Bela (18, SMV):

„Das löst tatsächlich etwas in den Leuten aus. Recht viel Dopamin auf einmal. Wenn so eine starke Reaktion kommt, dann merkt man sich das“ – Bela, 18, SMV.

Humor kann zudem ansteckend sein: Wenn Jugendliche etwas lustig finden, verschicken sie es eher an Freund*innen, was wiederum das Thema im Freund*innenkreis verbreitet und mehr Aufmerksamkeit erzeugt:

„Denn der eine teilt dann zum Beispiel dieses Meme, zeigt es den Freunden und dadurch wird darüber gesprochen. Dann wird es zum Thema und es bleibt in den Köpfen. Wenn man es erst einmal (…) gesehen hat, dann weitererzählt hat und noch einmal wieder etwas davon hört“ – Zenia, 16, SMV.

Die Jugendlichen interessieren sich besonders dann für gesellschaftliche Themen, wenn diese sie auch persönlich betreffen, wie auch die JIM-Plus Studie 2022 gezeigt hat. Klimawandel, Mobilität, das Gesundheitssystem – sind beispielsweise Themen, die näher beleuchtet wurden. Die befragten Jugendlichen der vorliegenden Studie machen sich mit Blick auf den Klimawandel Sorgen um ihre Zukunft. Jugendliche, die auf dem Dorf leben, beschweren sich über schlechte Busverbindungen und lange Wartezeiten am Bushäuschen. Jugendliche, die selbst gesundheitliche Probleme haben oder diese im direkten Umfeld wahrnehmen, kritisieren das Gesundheitssystem. Kriege beschäftigen die Jugendlichen ebenfalls. Hier gibt es aber Unterschiede. Einige lassen das Thema nicht an sich ran und versuchen sich zu distanzieren. Andere äußern Mitleid und wünschen sich eine Welt ohne Krieg, in der Ressourcen besser verteilt werden und Menschen auf der Flucht mehr geholfen wird.

Meine Quellen – meine Meinung – meine Interpretation

Einige der Jugendlichen haben für den passiven Nachrichtenkonsum den Tagesschau-Kanal abonniert. Die JIM-Studie zeigte 2018, dass Jugendliche den klassischen Medien das größte Vertrauen entgegenbringen. Allen voran den öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern ARD und ZDF [5]. Bedenkt man gleichzeitig, dass Jugendliche sich am liebsten online und über soziale Medien informieren, steigt die Bedeutung der Onlinepräsenz öffentlich-rechtlicher Nachrichtensender.

Gleichzeitig zeigte sich, dass einige Jugendliche blindes Vertrauen in journalistische Tätigkeiten haben. Einige Jugendliche der Gymnasialklasse schätzen die Berichterstattung auf Social Media als neutral und meinungslos ein. Es fehlt hier an Wissen darüber, wie Nachrichten entstehen und funktionieren, sowie an kritischer Medienkompetenz:

„Hat man bei TikTok Kanäle, die Nachrichten beinhalten, sind das oft Journalisten. Die haben das Ziel, das Thema ohne Meinung zu berichten. Sie sagen nur das, was passiert, und lassen nicht eine Seite in einem besseren Licht erscheinen“ – Armin, 17, GK.

Für einige Jugendliche zeigen die Kommentare unter einem Beitrag verschiedene Meinungen, mithilfe derer sie ihre eigene Meinung in die Vielfalt anderer Meinungen einordnen können:

„Geht es um Nachrichten, ist es eher neutral. In den Kommentaren sieht man verschiedene Meinungen, über die man nachdenken kann. Bei mir war es bereits öfter so, dass ich beim Durchsehen der Kommentare einen anderen Ansatz gesehen habe“ – Marcel, 16, GK.

Wenn die Jugendlichen im selben Moment Nachrichten nur passiv konsumieren und ihrem persönlichen Algorithmus damit die Selektion überlassen, haben sie weniger Einfluss auf die Informationen, die sie erhalten. In diesem Zuge sind Fake News und Desinformation für die politische Meinungsbildung und das Informationshandeln Jugendlicher eine große Herausforderung.

Manche der Jugendlichen äußern sich kritisch gegenüber der Glaubwürdigkeit von Medien und meinen, man dürfe ihnen nicht blind vertrauen:

„Natürlich ist es wichtig, sich zu informieren, wenn man sich mit einem Thema beschäftigen möchte. Sich allerdings nur auf die Medien zu verlassen, (…) das sollte man auch nicht machen“ – Laura, 13, FA.

Die Jugendlichen der SMV nutzen soziale Medien auch, um einen Abstecher in verschiedene „Bubbles“ machen zu können. So gewinnen sie einen Überblick über verschiedenen Meinungen bzw. verschiedenen Agenden.

Ich kann meine Meinung äußern, aber tue ich das?

Die befragten Jugendlichen schätzen den Zugang zum Internet und sozialen Medien als wertvolles Tool zur Meinungsäußerung. Viele Menschen bekommen damit die Möglichkeit, ihre Meinung auf einfache Art und Weise zu äußern:

„Jeder hat die Möglichkeit, an sein Handy zu gehen und in den sozialen Medien Themen zu verbreiten. Es ist nicht mehr wie vor 20, 30 Jahren, als die einzige Möglichkeit zu kommunizieren das Telefon war oder sich zu treffen. Das ist jetzt sehr gut“ – Marcel, 16, GK.

Die Möglichkeit sich online zu äußern, bedeutet nicht, dass die Stimme auch gehört wird, wenn die Jugendlichen ihre Meinung in sozialen Medien veröffentlichen.

„Die Möglichkeit besteht, aber ob es ankommt oder etwas gemacht wird, ist eine andere Frage. Die Möglichkeit ist da“ – Emilio, 16, GK.

Die Ergebnisse der Forschungswerkstatt zeigen, dass viele Jugendlichen eher vorsichtig sind, ihre Meinung zu äußern, da sie mögliche Konflikte scheuen:

„Es hängt davon ab, mit wem man redet. Denn manchmal will man keinen Konflikt anfangen, da man weiß, dass die andere Person eine andere Meinung hat“ – Laura, 13, AG.

Sie nehmen dies als Problem wahr. Es ist ihnen jedoch nicht bewusst, dass die Aushandlung von Konflikten für Meinungsbildung wichtig ist.

Ein weiterer Grund für die Zurückhaltung der Jugendlichen online ist der mitunter scharfe Umgangston. Sie tolerieren diesen bis zu einem gewissen Grad. Aussagen und Kommentare, die sie im echten Leben nicht akzeptieren würden, werden online ignoriert. Sie kritisieren aber Hasskommentare und Beleidigungen. Einige Jugendliche setzen dann auch Grenzen und melden beispielsweise faschistisches, sexistisches und homophobes Gedankengut.

„Ich muss sagen, ich bin da sehr viel toleranter. Wenn jemand in echt einfach auf mich zukommt und mich ‚Bastard‘ nennt, bin ich schon erst einmal ein bisschen so: „Hm, weiß ich jetzt nicht.“ Wenn das jemand online macht, denke ich mir so […]: ‚Ah, okay. Soll die Person halt meinen.‘ Wenn es zu viel wird, faschistisches Gedankengut, sexistisches Gedankengut, homophobes Gedankengut, einfach Sachen, die verboten sind. […] Das meldet man dann oder bringt es zur Nutzeranzeige“ – Bela, 18, SMV.

Die JIM-plus-Studie 2022 kam zu dem Ergebnis, dass ein Drittel der dort befragten Jugendlichen ihre Meinung aus Angst vor Hasskommentaren nicht mehr öffentlich postet. Etwas mehr als die Hälfte sieht dadurch die eigene Meinungsfreiheit online eingeschränkt [6].

Folgende Faktoren sind entscheidend, denn Jugendliche sagen ihre Meinung eher, wenn…

  • … sie gefragt werden
  • … ihre Meinung durch Fakten gestützt ist
  • … Menschen hinter ihnen stehen
  • … sie in ihrer eigenen Bubble sind
  • …sie keine Angst vor Hate haben müssen

(Manchmal) Beteilige ich mich – aber wird das gehört?

Das Internet und die sozialen Medien eröffnen vielfältige und leicht zugängliche Partizipations-möglichkeiten. Diese niedrigschwelligen Angebote ermöglichen es Jugendlichen, sich unkompliziert und direkt in gesellschaftliche und politische Prozesse einzubringen. Jugendliche können hier Anliegen äußern, Ideen austauschen, sich organisieren und zur Lösung aktueller Herausforderungen beitragen.

Die Jugendlichen aus den Forschungswerkstätten partizipieren unterschiedlich an bzw. in sozialen Medien. Einige von ihnen liken, teilen und reposten Beiträge, andere sind eher in einer beobachtenden Rolle. Den Jugendlichen ist es wichtig, Inhalte nur dann weiterzuverbreiten, wenn sie sich selbst mit der Thematik auseinandergesetzt haben.

„Ich finde man sollte etwas davon verstehen und es nicht machen, nur weil es jemand anderes teilt. Man sollte sich, bevor man es teilt, damit beschäftigen“ – Andre, 17, GK.

Reichweitenstarke Accounts können viele und insbesondere junge Menschen erreichen, so kann Partizipation über digitale Medien eine große Wirkung haben. Auch weil bereits sehr junge Menschen ein Handy und damit den Zugang zu sozialen Medien haben, können neue Denkweisen verbreitet und angeeignet werden:

„Postet ein bekannter Influencer etwas, hat es mehr Impact“ – Jannes, 17, GK.

 „Wenn es eine Idee oder eine Denkweise ist, dann kann es schon viel bewirken, wenn es viel im Internet geteilt wird“ – Camilla, 14, FA.

Wie bereits beschrieben, sind Memes bei den Jugendlichen besonders beliebt. Alle Forschungsgruppen schreiben Memes einen hohen Stellenwert zu.

„Ich denke, dass zum Beispiel für Fünftklässler ein Meme allgemein viel mehr ausmacht als etwas, was sie hören […]. Denn der eine teilt dann zum Beispiel dieses Meme, zeigt es den Freunden und dadurch darüber gesprochen wird. Dann wird es zum Thema und es bleibt in den Köpfen“ – Zenia, 16, SMV.

Wie beliebt Memes sind, zeigte sich auch, als beim kreativen Arbeiten mit Medien mehrere Jugendliche Memes erstellen wollten. Dabei wurde ihnen bewusst, dass es gar nicht so einfach ist, die gewünschte Message mit Humor zu verpacken. Loris (14, FA) ist beispielsweise mit seinem Meme nicht zufrieden: „Ich bin nicht zufrieden. […] Irgendetwas Ironisches wollte ich noch machen.“ Die Jugendlichen der Jugendfeuerwehr haben folgendes Meme erstellt:

Gleichzeitig sehen einige Jugendliche Online-Partizipation auch kritisch. Sich nur online über etwas zu beschweren, bringe nichts. Ob dadurch politische Entscheidungsträger*innen erreicht werden, stellen sie in Frage. Marcel (16, GK) argumentiert hier mit Blick auf Nestlé:

„Immer wieder beschweren sich Menschen im Internet, weil die Firma zwielichtige Aktivitäten betreibt. Das hat aber keinen Einfluss. Es stehen nicht weniger Produkte von Nestlé in den Regalen“ – Marcel, 16, GK.

Es zeigt, was bereits in anderen Studien festgestellt wurde: Die Jugendlichen machen kaum Selbstwirksamkeitserfahrungen – sie fühlen sich nicht gehört. Gleichzeitig sind positive Erfahrungen mit Partizipation Voraussetzung dafür, dass Jugendliche sich als Personen wahrnehmen, die sich einmischen und Veränderung schaffen können [7].

Zusammenfassung der Ergebnisse

  • Anschluss finden – Abstand fühlen. Soziale Medien bieten die Möglichkeit Verbundenheit zu erleben und sich auszutauschen. Gleichzeitig fehlt den Jugendlichen hier das Zwischenmenschliche.
  • Ich informiere mich – nebenbei. Die meisten Jugendlichen lassen sich über soziale Medien informieren. Sie abonnieren Nachrichtenkanäle, die ihnen Beiträge in den Feed spülen. Welche Nachrichten ihnen dabei zugespielt werden, beeinflusst der Algorithmus.
  • Wecke mein Interesse. Die Jugendlichen informieren sich darüber hinaus für Themen, die ihr Interesse wecken. Das geschieht eher, wenn sie Beiträge öfter sehen (durch Verschicken und Reposten), die Inhalte humoristisch sind und/oder sie einen persönlichen Bezug zur Thematik haben.
  • Ich bilde mir meine Meinung. Öffentlich-rechtliche Nachrichtenagenturen genießen hohes Ansehen unter Jugendlichen. Da Jugendliche sich am liebsten über soziale Medien informieren, ist die Präsenz öffentlich-rechtlicher Sender wichtig.
  • Meinungsbildung. Einigen Jugendlichen fehlt das Wissen darüber, wie Nachrichten entstehen. Sie erwarten, dass Journalist*innen neutral und meinungslos berichten. -> Die kritische Medienkompetenz muss gefördert werden.
  • Ich beteilige mich? Jugendliche nehmen (soziale) Medien als Medium der Meinungsäußerung und Ressource für Online-Partizipation wahr. Sie zögern aber davor, ihre Meinung in sozialen Netzwerken kundzutun aus Angst vor Konflikten und Hass. Ihnen ist es wichtig, sich nur zu äußern, wenn sie selbst etwas von der Thematik versteht. Tatsächlich gehört fühlen sie sich dabei jedoch nicht.

  Literatur

[1] Floridi, Luciano (2017). Die Mangroven-Gesellschaft. Die Infosphäre mit künstlichen Akteuren teilen. In: Otto, Philipp/Gräf, Eike (Hrsg.), 3Th1CS – Die Ethik der digitalen Zeit. Berlin: iRights.Media.

[2] Behre, J., Hölig, S., & Möller, J. (2023). Reuters Institute Digital News Report 2023: Ergebnisse für Deutschland. (Arbeitspapiere des Hans-Bredow-Instituts, 67). Hamburg: Verlag Hans-Bredow-Institut. https://doi.org/10.21241/ ssoar.86851

[3] Oberle, M., Hahn-Laudenberg, K., Ditges, P., Stamer, M.-M., Sauermann, P., & Weigelt, I. (2023). Politische Sozialisation im Jugendalter: Ein Systematic Review des internationalen Forschungsstands auf Basis empirischer Studien in englischsprachigen Zeitschriften; Expertise. München: Deutsches Jugendinstitut e.V.. https://doi.org/10.36189/DJI202315

[4] Tillmann, A. (2017). Informationsverhalten von Kindern und Jugendlichen in digital-vernetzten Welten. Abrufbar unter: https://www.bpb.de/shop/buecher/schriftenreihe/medienkompetenz-schriftenreihe/257603/informationsverhalten-von-kindern-und-jugendlichen-in-digital-vernetzten-welten/.

[5] Feierabend, S., Rathgeb, T., Reutter, T. (2018). JIM-Studie. Jugend, Information, Medien. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-jähriger in Deutschland. Herausgegeben vom Medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest (mpfs). Abrufbar unter: https://www.mpfs.de/studien/jim-studie/2018/.

[6] JIM-plus (2022). Fake News und Hatespeech. Fake News und Hatespeech im Alltag von Jugendlichen. Abrufbar unter: https://www.mpfs.de/studien/jim-studie/jimplus-2022/.

[7] Schwanenflügel, L. von (2022). Was bedeutet Partizipation? Politische Bildung und Benachteiligung Jugendlicher. Zugänge – Journal für politische Bildung, 12 (2), S. 22-27.

  Links

Qualitative Studie zu Kompetenzen von Jugendlichen im Umgang mit algorithmischen Empfehlungssystemen: „Was ich like, kommt zu mir“ (https://digid.jff.de/qualitative-studie-zum-umgang-von-jugendlichen-mit-aes-erschienen/).

Fake News und Desinformation für die politische Meinungsbildung (https://rise-jugendkultur.de/isso/).

Desinformation und das Informationshandeln Jugendlicher (https://rise-jugendkultur.de/artikel/die-informationsraeume-und-das-informationshandeln-junger-menschen-und-ihr-umgang-mit-desinformation/).

Konflikte als Bereich der (medien-)pädagogischen Arbeit (https://rise-jugendkultur.de/artikel/konflikte-als-arbeitsbereich-von-medien-paedagogik-und-entwicklungsaufgabe-fuer-junge-menschen/).

  Zitationsvorschlag

Winter, C., Pfaff-Rüdiger, S., Oberlinner, A., Eggert, Susanne (2024). Das bewegt uns – Aufwachsen im Digitalen. Herausgegeben vom JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis. Abrufbar unter: https://das-bewegt-uns.de/aufwachsen-im-digitalen-de.
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