Einige der Jugendlichen haben für den passiven Nachrichtenkonsum den Tagesschau-Kanal abonniert. Die JIM-Studie zeigte 2018, dass Jugendliche den klassischen Medien das größte Vertrauen entgegenbringen. Allen voran den öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern ARD und ZDF [5]. Bedenkt man gleichzeitig, dass Jugendliche sich am liebsten online und über soziale Medien informieren, steigt die Bedeutung der Onlinepräsenz öffentlich-rechtlicher Nachrichtensender.
Gleichzeitig zeigte sich, dass einige Jugendliche blindes Vertrauen in journalistische Tätigkeiten haben. Einige Jugendliche der Gymnasialklasse schätzen die Berichterstattung auf Social Media als neutral und meinungslos ein. Es fehlt hier an Wissen darüber, wie Nachrichten entstehen und funktionieren, sowie an kritischer Medienkompetenz:
„Hat man bei TikTok Kanäle, die Nachrichten beinhalten, sind das oft Journalisten. Die haben das Ziel, das Thema ohne Meinung zu berichten. Sie sagen nur das, was passiert, und lassen nicht eine Seite in einem besseren Licht erscheinen“ – Armin, 17, GK.
Für einige Jugendliche zeigen die Kommentare unter einem Beitrag verschiedene Meinungen, mithilfe derer sie ihre eigene Meinung in die Vielfalt anderer Meinungen einordnen können:
„Geht es um Nachrichten, ist es eher neutral. In den Kommentaren sieht man verschiedene Meinungen, über die man nachdenken kann. Bei mir war es bereits öfter so, dass ich beim Durchsehen der Kommentare einen anderen Ansatz gesehen habe“ – Marcel, 16, GK.
Wenn die Jugendlichen im selben Moment Nachrichten nur passiv konsumieren und ihrem persönlichen Algorithmus damit die Selektion überlassen, haben sie weniger Einfluss auf die Informationen, die sie erhalten. In diesem Zuge sind Fake News und Desinformation für die politische Meinungsbildung und das Informationshandeln Jugendlicher eine große Herausforderung.
Manche der Jugendlichen äußern sich kritisch gegenüber der Glaubwürdigkeit von Medien und meinen, man dürfe ihnen nicht blind vertrauen:
„Natürlich ist es wichtig, sich zu informieren, wenn man sich mit einem Thema beschäftigen möchte. Sich allerdings nur auf die Medien zu verlassen, (…) das sollte man auch nicht machen“ – Laura, 13, FA.
Die Jugendlichen der SMV nutzen soziale Medien auch, um einen Abstecher in verschiedene „Bubbles“ machen zu können. So gewinnen sie einen Überblick über verschiedenen Meinungen bzw. verschiedenen Agenden.
Ich kann meine Meinung äußern, aber tue ich das?
Die befragten Jugendlichen schätzen den Zugang zum Internet und sozialen Medien als wertvolles Tool zur Meinungsäußerung. Viele Menschen bekommen damit die Möglichkeit, ihre Meinung auf einfache Art und Weise zu äußern:
„Jeder hat die Möglichkeit, an sein Handy zu gehen und in den sozialen Medien Themen zu verbreiten. Es ist nicht mehr wie vor 20, 30 Jahren, als die einzige Möglichkeit zu kommunizieren das Telefon war oder sich zu treffen. Das ist jetzt sehr gut“ – Marcel, 16, GK.
Die Möglichkeit sich online zu äußern, bedeutet nicht, dass die Stimme auch gehört wird, wenn die Jugendlichen ihre Meinung in sozialen Medien veröffentlichen.
„Die Möglichkeit besteht, aber ob es ankommt oder etwas gemacht wird, ist eine andere Frage. Die Möglichkeit ist da“ – Emilio, 16, GK.
Die Ergebnisse der Forschungswerkstatt zeigen, dass viele Jugendlichen eher vorsichtig sind, ihre Meinung zu äußern, da sie mögliche Konflikte scheuen:
„Es hängt davon ab, mit wem man redet. Denn manchmal will man keinen Konflikt anfangen, da man weiß, dass die andere Person eine andere Meinung hat“ – Laura, 13, AG.
Sie nehmen dies als Problem wahr. Es ist ihnen jedoch nicht bewusst, dass die Aushandlung von Konflikten für Meinungsbildung wichtig ist.
Ein weiterer Grund für die Zurückhaltung der Jugendlichen online ist der mitunter scharfe Umgangston. Sie tolerieren diesen bis zu einem gewissen Grad. Aussagen und Kommentare, die sie im echten Leben nicht akzeptieren würden, werden online ignoriert. Sie kritisieren aber Hasskommentare und Beleidigungen. Einige Jugendliche setzen dann auch Grenzen und melden beispielsweise faschistisches, sexistisches und homophobes Gedankengut.
„Ich muss sagen, ich bin da sehr viel toleranter. Wenn jemand in echt einfach auf mich zukommt und mich ‚Bastard‘ nennt, bin ich schon erst einmal ein bisschen so: „Hm, weiß ich jetzt nicht.“ Wenn das jemand online macht, denke ich mir so […]: ‚Ah, okay. Soll die Person halt meinen.‘ Wenn es zu viel wird, faschistisches Gedankengut, sexistisches Gedankengut, homophobes Gedankengut, einfach Sachen, die verboten sind. […] Das meldet man dann oder bringt es zur Nutzeranzeige“ – Bela, 18, SMV.
Die JIM-plus-Studie 2022 kam zu dem Ergebnis, dass ein Drittel der dort befragten Jugendlichen ihre Meinung aus Angst vor Hasskommentaren nicht mehr öffentlich postet. Etwas mehr als die Hälfte sieht dadurch die eigene Meinungsfreiheit online eingeschränkt [6].
Folgende Faktoren sind entscheidend, denn Jugendliche sagen ihre Meinung eher, wenn…
- … sie gefragt werden
- … ihre Meinung durch Fakten gestützt ist
- … Menschen hinter ihnen stehen
- … sie in ihrer eigenen Bubble sind
- …sie keine Angst vor Hate haben müssen