Auch von politischer Seite fühlen sie sich mit ihren Sorgen nicht ernstgenommen. Sie kritisieren, dass es zu wenige Maßnahmen gibt und diese nicht konsequent umgesetzt werden.
„Zum Teil sind die Regelungen widersprüchlich oder sinnlos. Es wird der Plastikstrohhalm verboten, aber manche Produkte sind doppelt oder dreifach verpackt. So ist das bei den Fertigcroissants mit Schokoladenfüllung. Die sind außen verpackt und innen nochmals verpackt. Das ist widersprüchlich. Da müsste man konsequenter sein“ – Marcel, 16, GK
Dass sich die einige Jugendlichen tiefgreifend Gedanken machen, zeigt sich im Spannungsfeld zwischen Klimawandel und Mobilität: Sie kritisieren die mangelhafte Anbindung ländlicher Gebiete an den öffentlichen Nahverkehr, wodurch sie auf Autos angewiesen sind. Sie sind sich der umwelttechnischen Probleme von Verbrennungsmotoren bewusst, sehen jedoch auch im E-Auto keine umfassende Lösung.
„Es sind viele Menschen auf ihr Auto angewiesen und sich ein E-Auto zu kaufen ist teuer und keine passende Alternative für das Klima“ – Marco, 16, Gymnasialklasse
Mit Blick auf das Handeln einzelner wohlhabender Gesellschaftsmitglieder*innen fordert Bela von der Politik stärkeres Eingreifen.
„Wenn da irgendjemand […] jedes Wochenende mit seinem Privatjet nach Sylt fliegt, kann ich im Endeffekt nichts mehr dagegen tun. […] Ich kann sagen: ‚Liebe Politiker*innen, bitte verbietet es.‘ Ich kann ihn aber nicht aus seinem Privatjet zerren“ – Bela, 18, SMV
Er fragt sich, wie er sich dafür einsetzten kann, dass Entscheidungsträger*innen hier aktiv werden.
„Wo kann ich mich außerdem einsetzen, dass Leute, die deutlich mehr Macht haben als ich, dass die eigentlich was tun müssten, aber nichts tun“ – Bela, 18, SMV
Leopold zieht mit Blick auf politisches Versagen auch die Gesellschaft in die Verantwortung, die eine solche Regierung gewählt hat. Hier kann auch der Generationenkonflikt eine Rolle spielen. Er appelliert, Parteien zu wählen, die sich für Umweltschutz und die Eindämmung des Klimawandels einsetzen.
„Ich finde, dass man sauer auf die Politik sein kann. Es sind aber die Menschen, welche die Politiker gewählt haben, die das entscheiden. Wenn ein Großteil für Politiker sind, die keinen Wert auf die Umwelt legen oder sie schädigen, ist das die Schuld der Gesellschaft. Man kann auf die Politik sauer sein, weil es dort nur um das Geld geht. Das Wichtigste ist, dass das Land wirtschaftlich stabil ist und der Umweltfaktor ist dann bei den meisten Parteien im Hintergrund. Ich finde es deswegen wichtig, dass man Parteien wählt, die mehr Wert auf die Umwelt legen“ – Leopold, 15, GK
Insgesamt zeigt sich, dass viele Jugendlichen sich selbst in der Verantwortung sehen. Sie versuchen durch ihr eigenes Verhalten den Klimawandel einzudämmen. Viele achten auf nachhaltigen Konsum oder verzichten auf Auto- und Flugreisen. So versuchen sie beispielsweise, weniger Müll zu produzieren und nachhaltige Alternativen wie die Bambuszahnbürste zu nutzen.
„Möchte man gegen die Klimakrise antreten, muss man bei sich selbst beginnen. Das bedeutet für einen selbst Konsumverzicht oder die Reduzierung des eigenen Konsumverhaltens. Es ist größerer Impact, aber es ist aufwändig“ – Cleo, 16, GK
Dass Lösungsstrategien bei den Jugendlichen selbst ansetzen, kann damit zusammenhängen, dass die Jugendlichen den Eindruck haben, dass aus ihrer Sicht zivilgesellschaftliche Bewegungen wie Fridays for Future politisch zu wenig ernst genommen werden. Die Jugendlichen erleben hier nicht, dass Engagement sich auszahlt. Auf ihr eigenes Verhalten können sie Einfluss nehmen, dadurch Selbstwirksamkeit erfahren und sich für eine bessere Welt einsetzen. Nachhaltiges Handeln im Alltag ist außerdem für viele Jugendliche einfacher umzusetzen als zivilgesellschaftliches Engagement[1]. Einige jüngere Jugendlichen sehen Beteiligungsformen wie Die letzte Generation auch kritisch. Sven (13) hat in der Kreativphase mit Lego nachgestellt (siehe Bild), welche Konsequenzen es haben kann, wenn Autobahnen blockiert werden und Rettungswägen nicht mehr durchkommen.
Laura (16, FP) fragt sich darüber hinaus, wie sie als Jugendliche andere motivieren können, es ihnen gleich zu tun. Denn: Die Jugendlichen wissen, dass sie als Einzelperson die Welt nicht verändern können.
„Natürlich wird man als einzelne Person nicht die Welt verändern. Wenn allerdings jeder ein bisschen etwas tut, dann wird es natürlich besser. Man könnte weniger Plastik einkaufen und ähnliches. Man könnte sich an Wissenschaftlern orientieren oder selbst Wissenschaftler werden. Um vielleicht irgendwann etwas bezüglich alltäglicher Dinge zu erfinden, welche man braucht, die aber umweltverschmutzend sind“ – Helene, 13, FA
Problematisch ist, dass sie sich besonders ohnmächtig fühlen, wenn sie zwar auf individueller Ebene aktiv gegen den Klimawandel vorgehen, gleichzeitig aber beobachten müssen, wie andere durch ihr Verhalten bzw. ihre Entscheidungen, beispielweise den Privatjet zu benutzen, diese Bemühungen untergraben.