Jugendliche erleben Krisen emotional und brauchen Unterstützung, um Gefühle wie Ohnmacht, Angst und Überforderung zu verarbeiten und wieder ins Handeln zu kommen. Aus den Forschungswerkstätten ergeben sich drei mögliche Ansätze.

Verbunden, experimentierfreudig und selbstwirksam
1. Das gibt mir Halt – Bindungen stärken
Jugendliche brauchen soziale Bindungen und Verbundenheit, sie sehnen sich nach sozialem Halt, schreiben Werten wie Freundschaft und Gemeinschaft eine hohe Bedeutung zu und haben das Gefühl, gemeinsam mehr erreichen zu können. Wie und wo können sie aber Gemeinschaft erleben oder erschaffen? Auf dem Dorf gestaltet sie sich anders als in der Stadt, in festen Gruppen, die gemeinsam ein Ziel verfolgen (SMV) anders als in einer Klassengemeinschaft. Jugendliche äußern darüber hinaus eher ihre Meinung, wenn sie sich in ihrer Bubble bzw. in sicheren sozialen Bindungen bewegen. Verbundenheit kann auch entstehen, wenn Jugendliche erleben, dass sie mit ihren Problemen nicht allein sind. So hat Jona in der SMV-Gruppe Graffitis zum Thema „mentale Gesundheit“ entworfen, um Unterstützung zu zeigen und auf die Gefühle und Bedürfnisse von Jugendlichen aufmerksam zu machen (siehe Bild).
Zu den sicheren Bindungen gehören auch diejenigen zu erwachsenen Bezugspersonen wie zum Beispiel Lehrkräften. Diese Beziehungen sind umso notwendiger, damit sich Jugendliche angesichts der Weltlage nicht mit der Problemlösung und Verantwortung allein gelassen fühlen. Aus einer geborgenen Verbindung heraus lässt es sich auch leichter an der Haltung älterer Generationen reiben und so eine eigene Meinung und Identität entwickeln. Es ist also wichtig, Jugendliche darin zu stärken, enge soziale Bindungen aufzubauen. Dazu braucht es Begegnung und die Bereitschaft, sich zu öffnen, sich verletzlich zu zeigen und auch mal einen Konflikt zu riskieren. Medienpädagogische Projekte wie das Graphic Novel Projekt können hier helfen, sich zu zeigen und zu öffnen, gemeinschaftlich an einem Projekt zu arbeiten, Bindungen aufzubauen und Mut zur eigenen Meinung zu fördern.
2. Platz zum Atmen – Entwicklungsräume anbieten
Vielen Jugendlichen fehlt nach Corona der Platz zum Atmen, die Erfahrung, sich ohne Druck auszuprobieren und mit den an sie herangetragenen Erwartungshaltungen umzugehen. Es braucht mehr Raum für unterschiedliche Lebenswege und einen Umgang mit den Ängsten der Jugendlichen (vor der Zukunft und davor, eine falsche Berufs- oder Lebensentscheidung zu treffen). Sind diese Räume, wie in der SMV oder bei der Jugendfeuerwehr vorhanden, unterstützt dies die Jugendlichen positiv. Jugendarbeit eröffnet diese Räume; sich kreativ mit Medien auszudrücken ebenfalls.
Darüber hinaus gibt es kaum Platz, um auch nur probehalber eine Meinung zu testen. Eine Gruppe von Schüler*innen aus der Gymnasialklasse hat deshalb vorgeschlagen, an der Schule ein Politik Café einzurichten, um einen Ort zu haben, um mit anderen Interessierten über Politik sprechen zu können.

3. Aus der Überforderung in die Verantwortung – Selbstwirksamkeit stärken
Jugendliche brauchen Erfahrungen, in denen sie sich als selbstwirksam erleben können und nicht nur, indem sie ein Foto von sich selbst posten und Likes dafür bekommen. Nach Hurrelmann (2023) war „der Wegfall der Selbstwirksamkeit (…) in der Krisenkonstellation Corona das Schlimmste und deren Wiederaufbau ist die entscheidende Strategie, um wieder herauszukommen“[1]. Gleichzeitig sollte die Verantwortung für gesellschaftliche Krisen, aber auch für die eigene mentale Gesundheit nicht allein bei den Jugendlichen liegen. Stattdessen ist es wichtig, Jugendlichen zuzuhören und sie zu beteiligen, anstatt über Jugendliche zu entscheiden. Gerade im Kontext Schule kann Demokratie und Beteiligung erlebbar gemacht werden. Dies gelingt aber nur, wenn dieses Engagement aus Sicht der Jugendlichen tatsächlich zu Veränderungen führt und nicht nur eine Alibi-Einbindung ist.
Mit positiven Selbstwirksamkeitserfahrungen im Alltag sind Jugendliche eher bereit, sich in die Gesellschaft einzubringen und an ihr Teil zu haben. Die Forschungswerkstätten haben hier gezeigt, wie ein Format, das genau dies tut, Jugendlichen zuzuhören und sie mit kreativen Methoden zu unterstützen, sich selbst auszudrücken, Meinungen zu teilen, Bindungen zu stärken und ihren Blick auf die Welt als wertvoll zu erachten, helfen kann, wieder etwas in Bewegung und die Jugendlichen selbstbestimmt und selbstwirksam in Partizipation zu bringen.
Literatur
[1] Hurrelmann, K. (2023). Polarisierung der Gesellschaft – Erkenntnisse aus der Jugendforschung. merz – Medien und Erziehung, 67(1), S. 25.
Links
Podcast zum Umgang von Jugendlichen mit mentaler Gesundheit: https://podcasts.apple.com/de/podcast/the-happiness-lab-with-dr-laurie-santos/id1474245040?i=1000637945808.
Zitationsvorschlag
Pfaff-Rüdiger, S., Oberlinner, A., Eggert, S. & Winter, C. (2024). Das bewegt uns – Verbunden, experimentierfreudig und selbstwirksam. Wege aus der Krise. Herausgegeben vom JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis. Abrufbar unter: https://das-bewegt-uns.de/verbunden/